FAQ: Warum ist die IT-Branche so gut entwickelt in der Ukraine?

Viele Westeuropäer und Amerikaner wundern sich, wie es sein kann, dass in so einem "armen" Land wie der Ukraine eine gut entwickelte IT-Branche existiert. Trotz schwacher Wirtschaft und jahrelanger Krise wächst die IT-Industrie kontinuierlich weiter. Wie kann das sein?

Gutes Steuersystem

Im Endeffekt gibt es eine ganz einfache Erklärung – die Arbeit als ITler in der Ukraine ist der schnellste Weg zum sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg. Die durchschnittlichen Löhne betragen lediglich ein paar Hundert Euro. Gleichzeitig bietet die IT-Branche einen schnellen Weg zum sicheren Wohlstand, denn die Programmierer verdienen monatlich bis zu ein paar Tausend Euro.

Dabei hilft ein einfaches Steuersystem, denn viele Programmierer registrieren ein Gewerbe und zahlen nur 5% Steuern an den Fiskus. Der Staat profitiert an dieser Stelle nicht direkt von der Einkommensteuer, sondern vom ausländischen Kapital, das in das Land fließt. Das spült jährlich mehr als 3,6 Milliarden Dollar ins Land – somit ist die IT-Branche der drittgrößte exportorientierte Wirtschaftszweig in der Ukraine.

Die einheimische Währung heißt Hrywnja und wird von Zeit zu Zeit abgewertet. Daher können nur diejenigen ohne Sorgen in die Zukunft blicken, die in Euro oder Dollar bezahlt werden. Also, noch ein Grund mehr, in die IT-Industrie zu gehen.

Gutes Schulsystem und zahlreiche technische Unis

Zu Sowjetzeiten galt die Ukraine nicht nur als die Kornkammer, sondern auch das Forschung- und Entwicklungszentrum für die ganze Industrie, unter anderem für die Waffen- und Raketenindustrie. Hierfür war ein starkes Schulsystem notwendig, das besonders gute Abiturienten auf die MINT-Fächer vorbereitete. Die ukrainischen Universitäten dienten als Kaderschmiede für die Moskauer Universitäten. Nach der Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1991 konnte das Bildungssystem für den eigenen Markt arbeiten.

Da die Absatzmärkte nach dem Zerfall der Sowjetunion verloren gingen, musste man neue Märkte erschließen. Die Universitäten bildeten Tausende Ingenieure aus, die für die IT-Branche besonders gut geeignet waren. Das bestätigten die schulischen sowie studentischen Olympiaden, bei denen die Ukrainer immer gute Ergebnisse erzielten – im Gegensatz zu Deutschland.

Langjährige Erfahrung auf dem US-Markt

Noch in den 90er Jahren entdeckten viele US-Firmen den ukrainischen Markt für sich. Hier half auch eine starke Arbeitsmigration in die USA. Alles begann mit den einfachen Aufgaben, die die Ukrainer zur Probe programmierten, bis hin zu komplexen Systemen, die man heutzutage der ukrainischen IT-Branche zutrauen kann.

Viele amerikanischen und asiatischen Firmen eröffneten sich die R&D-Zentren in der Ukraine (Samsung, NetCracker etc.), weil man es dort nach wie vor billiger als in Silicon Valley entwickeln kann.

Die einheimischen IT-Giganten vor Ort beschäftigen bis zu 5000 Programmierer, die mittleren Firmen können durchaus bis zu 1000 Programmierer im Kader vorweisen. Gleichzeitig müssen die einheimischen IT-Giganten selber viel mehr in die Ausbildung und ins Personal investieren, damit man konkurrenzfähig bleibt.

Zwar sitzen die begehrten Kunden nach wie vor in Übersee, dennoch arbeiten viele skandinavischen Firmen mit den Ukrainern zusammen und gründen die Tochterunternehmen oder verlagern Ihre R&D-Abteilungen in die Ukraine. Es könnte eine lehrreiche Strategie auch für deutsche Firmen werden, damit man mit den Amerikanern auf Augenhöhe konkurrieren kann.

Zuletzt geändert: 17.12.2018