FAQ: Technische Universitäten und Hochschulen in der Ukraine

Die Grundlage für den Erfolg einer jeden Branche basiert auf einem stetigen Zustrom frischer Arbeitskräfte aus den führenden Kaderschmieden. Die ukrainische IT-Branche wächst jedes Jahr um 10 bis 30%. Trotz relativ bescheidenem Budget bilden die örtlichen Universitäten von Jahr zu Jahr zehntausende neuer Ingenieure aus. Wie gelingt ihnen das?

Schlechte Hochschuleinrichtungen, aber gute Studenten?

Ohne ein abgeschlossenes Studium bzw. Diplom hat man in der Ukraine fast keine Chance, auf eine gute und erfolgreiche Karriere. Ein Diplom ist zu einem Statussymbol geworden. Die Nachfrage schafft das Angebot. In jeder mehr oder weniger großen Stadt der Ukraine gibt es eine Universität oder klassische Hochschule mit vielen technischen Fächern. In Deutschland gibt es mehr als 400 Hochschulen – in der Ukraine wurden mehr als 600 Hochschulen registriert, obwohl man zweimal weniger Einwohner als Deutschland hat.

Die Qualität der Ausbildung lässt jedoch viele Fragen offen. Das Staatsbudget ist gering, weil die Ukraine im Allgemeinen ein armes Land ist.

Das Budget der größten ukrainischen technischen Universität (NTUU KPI Kiew, 25000 Studenten) für das Jahr 2018 betrug rund 40 Millionen Euro. Zum Vergleich: das Gesamtbudget der TU München überschritt 1,4 Milliarden Euro.

Zu den besten Unis zählen die Hochschulen in Kiew, Lemberg, Charkiw, Dnipro und Odesa. Dennoch zeigen auch die regionalen Unis sehr oft gute Ergebnisse auf den internationalen studentischen Wettbewerben (siehe ACM International Collegiate Programming Contest).

Aber manchmal hängt viel von der Unterstützung durch die lokale Regierung oder die lokale Wirtschaft ab. Das Staatsbudget für fast alle Universitäten ist minimal.

Infolgedessen müssen Universitäten selbst nach Finanzmitteln suchen und viele Studenten müssen für ihr Studium zahlen. Für die meisten Studierenden bleibt die Bildung wie in Deutschland kostenlos. Viel hängt auch von der Unterstützung durch die lokale Regierung oder von den regionalen Unternehmen ab.

In der Weltrangliste gehören ukrainische Universitäten in der Regel nicht zu den besten. Gute Positionen erfordern ein großes Budget in Form von Investitionen in die Forschung und Entwicklung. Trotz der schlechten technischen Ausstattung und geringen Budgets bilden die ukrainischen Universitäten weiterhin hervorragende Ingenieure mit einem guten und soliden Basiswissen aus. Das Niveau in Mathematik und Informatik ist nach wie vor hoch. Das schätzen auch ausländische Studenten – die Ukraine ist bei Studenten aus dem Nahen Osten, Afrika und Asien sehr beliebt. Im Vergleich zu den EU-Ländern oder USA ist das Studium hier viel billiger.

Die Qualität der ukrainischen technischen Diplome ist in Deutschland sehr gut bekannt. Nach dem Anabin-System werden fast alle Abschlüsse großer ukrainischer Universitäten in Deutschland anerkannt. Die MINT-Fächer sind besonders populär, da die IT-Branche hauptsächlich auf den ausländischen Märkten tätig ist und die Fachkräfte hier ein vielfaches mehr an Lohn erhalten als jeder anderen Beruf in der Ukraine. Praktisch alle Absolventen finden problemlos einen Job auf dem lokalen IT-Markt. Nur wenige von ihnen gehen in die Forschung. Manchmal ist es sogar viel einfacher, bei einer Outsourcing-Firma eigene Ideen in die Praxis umzusetzen und zu forschen.

Lokale IT-Giganten konkurrieren um Absolventen, weshalb fast alle großen Unternehmen mit den lokalen Universitäten kooperieren und den Studenten praxisnahe und moderne Technologien vermitteln.

Die Arbeit ist für viele Studenten fast eine Notwendigkeit, wenn man von den Eltern keine Unterstützung bekommt. Ein Stipendium in der Ukraine ist nicht vergleichbar mit dem deutschen Bafög. Ein Stipendium bekommen zwar viele Studenten, aber es ist zu gering, um eine Woche in einer großen ukrainischen Stadt zu überleben. Das Stipendium einer gewöhnlichen technischen Universität beträgt etwa 40-60 Euro.

Die Größe des Stipendiums oder derer Abwesenheit motiviert die Studierenden bereits in frühen Semestern nach einer Arbeit zu suchen. Man beginnt als Trainee oder Junior, aber bereits in den letzten Semestern arbeiten fast alle Studierenden in einer Festanstellung. Manchmal wirkt sich Armut unerwartet positiv auf die Motivation der Studenten aus. In der Ukraine studiert niemand bis zu seinem 30. Lebensjahr, oder wechselt jedes Semester das Fach. Je früher man beginnt zu arbeiten, umso früher kann man sich ein Auto oder die eigenen vier Wände leisten.

Das Geheimnis der ukrainischen Universitäten besteht darin, unter schwierigen Bedingungen zu überleben, die die Einwohner des Landes seit langem gewöhnt sind. Und hier ist eine Krise nur ein permanenter Zustand der Gesellschaft. Die spartanischen Bedingungen und die ständige Notwendigkeit zu überleben, haben ein funktionierendes System geschaffen, das die Ausbildung von Personal für lokale Outsourcing-Unternehmen geschickt beherrscht.

Zuletzt geändert: 28.12.2018