TeamViewer: riskanter Aufstieg in Premier League?

Teamviewer wird zum Haupttrikotsponsor des legendären Fußballclubs Manchester United. Dazu kommt noch Sponsoring in der Formel 1 mit Mercedes-AMG Petronas. Gezieltes Marketing sieht anders aus, oder?

Die Nachricht über die Sponsoring-Vereinbarung mit Manchester United gefiel den Aktionären nicht – am ersten Tag verlor die Aktie fast 20%. Viele Bankenanalysten haben das Kursziel sofort gesenkt. Die Aktie blieb zwar mit der Empfehlung "Kaufen", aber die Stimmung änderte sich. Worauf zählen die Manager des Unternehmens, wenn sie einen so riskanten Marketingschritt unternehmen? In der Regel werden Marken von Alltagswaren auf T-Shirts von Sportvereinen beworben. Was bringt es, die B2B-Produkte auf typischen B2C-Werbeplattformen zu bewerben? Wenn man sich bereits für solche Investition in Marketing entschieden hat, erscheint es logisch, auf Werbung in sozialen Netzwerken zu setzen, oder sich mit Werbeartikeln und Rezensionen in der Presse zu beschäftigen, in Ausstellungen zu investieren usw. Das wäre auf den ersten Blick logisch. 

TeamViewer an der Börse

TeamViewer ist mit seinem weltbekannten Software für Fernzugriff eines der führenden deutschen Softwareunternehmen. Nur SAP ist auf den weltweiten IT-Märkten besser bekannt. Ja, in Deutschland gibt es viele Softwareunternehmen, die sich mit der Systementwicklung und Systemintegration befassen, allerdings sind dies oft nur IT-Dienstleister, keine Softwarekonzerne. TeamViewer ist ein Softwareunternehmen, das mit den führenden amerikanischen IT-Unternehmen in derselben Liga spielt. Aber es gibt ein Problem – TeamViewer spielt in der zweiten Bundesliga. Und hiermit meine ich nicht nur MDAX.

Die erste Version von TeamViewer erschien im Jahr 2005, danach übernahm GFI Software die Firma aus Göppingen. Schließlich ging die Firma an den britischen Finanzinvestor Permira (2014). Der Preis lag bei rund 800 Millionen Euro.

Am 25. September ging TeamViewer an die Börse - der ursprüngliche Aktienkurs wurde auf 26,25 Euro festgelgt. Bis Ende 2019 wurde TeamViewer in den MDAX übernommen, der Aktienkurs überstieg 30 Euro.

Permira

Im ersten Corona Jahr hätte TeamViewer einer der Corona-Profiteuere werden können, da das Hauptgeschäft des Unternehmens genau auf die Erleichterung der Fernarbeit ausgerichtet ist. Mit dem Ausbruch der Corona-Krise schrieb die Weltpresse jedoch mehr über die Firmen wie Zoom oder Peloton. TeamViewer wuchs zwar sehr gut, aber die Göppinger betreiben Software für technische Spezialisten und komplexe Unternehmenslösungen. 

Der Aktienkurs wuchs dennoch – vom Tiefstand bei 22,3 Euro (16. März 2020) während des Corona Ausverkauf bis auf Allzeithoch von 54,86 Euro (9. Juli 2020). Permira nutzte dies mit aller Kraft, um seinen Anteil an TeamViewer schrittweise zu reduzieren – jeder neue Verkauf korrigierte den Aktienkurs nach unten:

Datum Typ Volumen in Aktien Erlöse in Euro
25.09.2019 Börsengang 84 Millionen Aktien a 26,25 Euro ca. 2.210 Mio Euro
04.03.2020 1. Platzierung 22 Millionen Aktien a 32 Euro ca. 706 Mio Euro
14.05.2020 2. Platzierung 25 Millionen Aktien a 32 Euro ca. 1.062 Mio Euro
20.10.2020 3. Platzierung 22 Millionen Aktien a 42,25 Euro ca. 930 Mio Euro
17.02.2021 4. Platzierung unbekannt ca. 600 Mio Euro

Der Ausstieg aus TeamViewer brachte Permira ca. 5,4-5,5 Milliarden Euro. Dabei kontrolliert die britische Firma weiterhin ca. 20% der TeamViewer-Aktien. Im gesamten Jahr bewegte sich die TeamViewer-Aktie im Bereich von 35 bis 45 Euro. Zum Vergleich: die Zoom-Aktien stiegen im vergangenen Jahr von 60 auf 300 Euro. 

Warum wurde TeamViewer zu keinem deutschen Zoom?

Zum einen ging TeamViewer an die Frankfurter Börse. Für ein europäisches (deutsches) Unternehmen ist das ziemlich logisch, aber alle mächtigsten IT-Unternehmen gehen aufs Parkett in den USA (NASDAQ oder NYSE). Immer mehr deutsche Firmen, die auf Welterfolg hoffen, wagen sich an die Börse in Übersee. Die letzten Beispiele dafür sind Curevac und BioNTech.

TeamViewer ist einer der führenden Ticker an den deutschen Börsen, aber nur sehr wenige Menschen interessieren sich für TeamViewer's ADRs an der NASDAQ (tägliches Volumen von rund 34.000 Aktien, Handelsvolumen von 1 Million Euro pro Tag).

Zoom ist privat weltweit eingesetzt und wurde von der Weltpresse aktiv beworben – dies ist das Erfolgsgeheimnis von Zoom unter Privatanlegern. TeamViewer war und ist ein Nischenchampion und eines der besten Angebote unter der Fernzugriff Software. Das Unternehmen ist bei Fachleuten auf der ganzen Welt bekannt, aber normale Benutzer (=Retailkunden auf dem Aktienmarkt) wissen wenig über seine Existenz.

Von daher ist es kein Wunder, dass das Management von TeamViewer nach neuen Marktnischen sucht. Sucht und auch findet.

Übernahmen

Während der Pandemie erwarben die Göppinger gleich 3 Firmen, die die Servicepalette erweitern sollten.

Datum Unternehmen Branche Unternehmensgröße
15.07.2020 Ubimax (Bremen, Deutschland) Augmented Reality Solutions for Wearables 90+ Mitarbeiter, Billings bei ca. 9,1 Mio Euro
19.01.2021 Xaleon (Linz, Österreich) Customer-Engagement-Software 20+ Mitarbeiter
02.03.2021 Upskill (USA) Augmented-Reality 50+ Mitarbeiter

Gemessen an den Einkäufen wird das Unternehmen auf Märkten wie Augmented Reality (AR) und IoT positioniert sein – viele Abschnitte im Geschäftsbericht des Unternehmens sind diesem Thema gewidmet. Dies ist zwar ein neuer Markt für TeamViewer, aber der Markt ist sehr lukrativ. 

Zum Verständnis, um die Volumen des Marktes zu verstehen: Microsoft unterzeichnete kürzlich einen 5-Jahres-Vertrag über die Lieferung von AR-Brillen für die US-Armee in Höhe von 22 Milliarden US-Dollar. Ich frage mich, wie viele Milliarden der Übergang zu AR-Technologien die Bundeswehr kosten wird und welche Firma dies ggf. durchführen werden kann.

TeamViewer wird zu einem modernen Technologieunternehmen, in dessen Produktpalette die KI, IoT, AR und viele andere "beliebte" Schlagworte aus der IT-Branche stehen. Um jedoch mit demselben Microsoft auf Augenhöhe zu spielen, muss man nicht nur ein gutes Produkt haben, sondern auch bekannt sein.

Infolgedessen traf TeamViewer eine ziemlich riskante Marketingentscheidung – es wurde beschlossen, in die Steigerung des Bekanntheitsgrades zu investieren.

Mancherster United und Formel 1

In der Regel werden Ausgaben in das Sportsponsoring eher skeptisch angesehen, da es sich nicht um gezieltes Marketing handelt. Darüber hinaus eignet sich Außenwerbung im Sport besser für B2C-Kunden, und TeamViewer plant auf B2B-Märkte zu expandieren. Das ist die Theorie. In der Praxis sind die Entscheidungsträger aus dem Business letztendlich im Sportbereich in erster Linie Kunden (also Clients). Und bevor man sich im Business eine Entscheidung für TeamViewer trifft, muss man die Marke "TeamViewer" kennen. Von daher könnte die Werbung im Fußball und Formel 1 durchaus funktionieren. Ob das klappt, werden wir in den nächsten Geschäftsberichten von TeamViewer herausfinden können.

Manchester United und Old Trafford

Der Vertrag mit Manchester United hat eine Laufzeit von 5 Jahren und kostet das Unternehmen £235 Mio. – stolze £47 Mio. pro Saison. Der Preis ist nicht der höchste, wenn man bedenkt, welche Marken früher auf dem MU-Trikot zu sehen waren:

Zeitraum Firma Branche Vertragsrahmen
1982-2000 Sharp Elektronik unbekannt
2000-2006 Vodafone Telekommunikation £7,5m...£9m pro Saison
2006-2010 AIG Versicherungen £14m pro Saison
2010-2014 AON Versicherungswesen, Risikomanagement £20m pro Saison
2014-2021 Chevrolet Fahrzeugbau £64m pro Saison
2021-2026 TeamViewer Software £47m pro Saison

Vergleicht man englische Teams mit den deutschen, so wird es klar, warum die Investition in die Bundesliga Teams weniger Medienpräsenz gebracht hätte. 

Englische Vereine spielen mehr Spiele pro Saison als deutsche Mannschaften – in der Premier League spielen 20 Mannschaften (in der Bundesliga nur 18), damit hat eine englische Mannschaft 38 Pflichtspiele pro Saison statt 34 in der Bundesliga. 

In England werden zwei einheimische Pokalwettbewerbe organisiert – FA Cup und EFL Cup, in Deutschland nur einer – DFB Pokal. Im England wird das Pokalspiel nach einem Unentschieden wiederholt, bei uns wird Elfmeter geschossen.

Außerdem haben englische Vereine mehr Geld als deutsche, so dass sie länger und besser in den europäischen Wettbewerben spielen. Nimmt man die letzten Saisons in UEFA Champions League und Europa League, so spielen deutsche Teams im Durchschnitt 8,79 Spiele pro Saison, Engländer – 9,86 Spiele. 

Manchester United (kurz. United) zählt zu den besten Vereinen in der Premier League. In den letzten 5 Spielsaison bestritt United 293 offizielle Spiele – durchschnittlich 58,6 Spiele pro Saison. Außerdem sind englische Clubs in Asien und den USA sehr beliebt. United spielt ständig in den europäischen Wettbewerben und fällt nie unter den 7. Platz. 

Anzahl Spiele pro Saison:

Saison EPL CL/EL FA Cup EFL Cup Andere Insgesamt
2015/16 38 12 7 2   59
2016/17 38 15 4 6 1 64
2017/18 38 8 6 3 1 56
2018/19 38 10 4 1   53
2019/20 38 12 6 5   61

Deshalb macht es Sinn, Werbeflächen auf dem Trikot einer englischen Mannschaft zu erwerben, wenn man eine erkennbare globale Marke werden möchte. Das Sponsern eines der führenden Unternehmen der Premier League ist riskant und teuer, aber es könnte die Marke definitiv zu einer globalen Marke etablieren.

Ich habe kein Wort über Formel 1 geschrieben, weil ich ein Fußballfan bin. Aber als Fußballfan kann ich mich an die Namen aller Sponsoren von Manchester United in den letzten Jahren erinnern. Sharp bleibt für mich für immer und ewig in Erinnerung als United Trikot-Sponsor aus den 90er Jahren :)

TeamViewer und das Geld

Der Vertrag mit Manchester United wird ca. 272 Millionen Euro kosten – aus diesem Grund hat das Unternehmen bereits einen Rückgang der bereinigten EBITDA-Marge von 55-57% auf 49-51% angekündigt. Die EBIT-Marge lag bei 36% – viele Unternehmen können von solchen Zahlen nur träumen. Selbst für die IT-Branche ist dies eine sehr beeindruckende Zahl.

Im Geschäftsjahr 2020 überschritt der Umsatz 455 Millionen Euro, die Billings lagen bei 460 Millionen Euro. Die Integration der letzten drei Akquisitionen wird erst nach 2021 zu spüren sein. TeamViewer plant im Jahr 2023 die Marke von 1-Milliarde-Euro in Billings zu erreichen. Sehr ambitioniert.

Das Unternehmen hat immer noch Probleme in der APAC-Region, in der sie nur 12,2% aller Billings erwirtschaftet haben. Hier sollte der Werbevertrag mit United hilfreich sein, denn genau in Asien-Pazifik ist Manchester United sehr populär.

Die Höhe des Werbevertrags entspricht fast einem 10-Jahres-Schuldscheindarlehen über 300 Millionen Euro, das TeamViewer vor kurzem platziert hat. Die Nachricht darüber blieb der Presse fast unbemerkt. Selbst bei stabilen Wachstumsraten des Unternehmens ist man durchaus in der Lage, einen so teuren Marketingvertrag abzuschließen. Es ist besser, Geld für diese Art von Marketing auszugeben, als um jeden Preis minimale Dividenden zu bezahlen (Bem. Red. viele Grüße an Varta)

Wenn TeamViewer neue Märkte erschließt und seinen Umsatz bis 2023 auf die gewünschte Milliarde Euro erhöht, wird der Vertrag mit Manchester United als hervorragender PR-Schritt bewertet.

Es gibt jedoch ein Aber. Jetzt hängt der Erfolg von TeamViewer weitgehend vom Erfolg des entfernten britischen Vereins auf dem Fußballplatz ab. Ganz Göppingen kann Manchester United unterstützen, aber Uniteds Misserfolge im Fußball werden mit böswilligen Artikeln in der Presse begleitet. Gefühlsmäßig kritisieren deutsche Medien sehr gerne deutsche Firmen. In den letzten Jahren erschienen zahlreiche Artikel über Tesla-Erfolge und deutsche Autobauer wurden bis zuletzt scharf kritisiert. Ausländische Presse berichtet von deutschen Firmen sowieso selten positiv.

Ich bin ein Aktionär von TeamViewer und jetzt muss ich auch ein Fan von Manchester United werden. Die Marketingpolitik von TeamViewer erscheint mir zu aggressiv, doch dafür gibt es gute Gründe. Es ist eben schwierig, mit den klassischen Methoden und mit moderatem Wachstum in die globale Technologieliga einzusteigen. 

Zuvor betrachtete ich die Investition in TeamViewer als Investition in ein stabiles Geschäft mit konservativen Wachstumsraten. Nach dem Vertrag mit Manchester United und der Formel 1 wurde TeamViewer  für mich zu einer riskanten Investition, doch mit der Möglichkeit eines mehrfachen Wachstums des Unternehmens. Ich hoffe, Manchester United wird auf dem Fußballplatz gut spielen und die Wachstumsgeschichte des deutschen Softwareunternehmens nicht verderben.

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