SpaceX: ukrainische Raketenbauer treten in die Fußstapfen von Elon Musk
News | 04.06.2020 | Anton Pavlushko
Während des Kalten Krieges wurde die Raumfahrtindustrie hauptsächlich von staatlichen Akteuren mit militärischem Hintergrund vorangetrieben. Dennoch wurde der Weltraum schrittweise kommerzialisiert.
Allmählich begannen immer mehr private Unternehmen das All zu erobern. Zunächst lernten sie, Kommunikationssatelliten herzustellen. Die Telekommunikationsindustrie ist zu einem der Katalysatoren für die Entwicklung des Weltraums geworden und hat die militärpolitische Komponente auf zweite Stelle verdrängt.
Deutsche Vorgeschichte der privaten Raumfahrt
Elon Musk folgt heute den Ideen, die zunächst in Deutschland entstanden waren. Die Abkürzung OTRAG steht für Orbital Transport- und Raketen Aktiengesellschaft, die Raketen nach dem Bündelraketen-Prinzip baute. Privat, nicht-staatlich und innovativ, und das mitten im Kalten Krieg. Das Unternehmen baute Lutz Kayser aus – einen deutscher Flugzeugbauer und Raketentechniker. Die Raketen sollten aus einfachen Bauteilen gebaut werden. Die Rakete selbst bestand aus mehreren einzelnen Triebwerken (Rohren).
Die Tests fanden im fernen afrikanischen Zaire (heutiges Kongo) mit Genehmigung des damaligen Diktators Mobutu statt. Geheimdienste aller Art verfolgten dies mit größtem Interesse. Nach mehreren erfolgreichen Starts wurde das Projekt schrittweise eingestellt – zu viele politische Akteure waren damals gegen eine deutsche Privatrakete. Ein besonderen Gruß an deutsche Politiker und die Presse, die in den fernen 70ern nicht an ihren Elon Musk aus Stuttgart glaubten. Danach ging es nur bergab mit weiteren Versuchen in Libyen und einer Ablösung der Firma in Deutschland.
Höchstwahrscheinlich waren Kaysers Vorstellungen vom privaten Weltraum ihrer Zeit einfach voraus. In Deutschland vergessen, starb er 2017, nachdem er es endlich geschafft hatte, die richtige Zeit zu finden in der andere begannen, seine Ideen zu verwirklichen. Journalisten schreiben nicht oft über Kayser, es wurden ein Paar Dokumentarfilme über die OTRAG gedreht – viel weniger als man in Deutschland über Elon Musk berichtet.
Ukrainische Hoffnung auf kommerzielle Raketenwissenschaft
Als gebürtiger Ukrainer beobachte ich die Entwicklung der Raumfahrtindustrie mit gemischten Gefühlen, da die Ukraine eines der wenigen Länder der Welt ist, die noch Raketen und Raketentriebwerke herstellen können. Die Erfolge der UdSSR im Weltraum basierten auf Raketentechnologien aus der Ukraine. Die ersten sowjetischen Raketen wurden vom Chefkonstrukteur, dem Ukrainer Sergej Koroljow, ins All abgefeuert, die Triebwerke dafür wurden vom Ukrainer Walentin Glushko entwickelt usw.
Der amerikanische Flug zum Mond wurde theoretisch vom ukrainischen Mathematiker und Ingenieur Jurij Kondratjuk begründet und berechnet – das Mondumlaufbahn-Rendezvous (LOR) ist ein Schlüsselkonzept, das das ermöglicht hat. Nur wenige haben von ihm gehört, aber er ist einer der Pioniere der Weltraumforschung.
Ab diesem Jahr dürfen private Unternehmen in der Ukraine eigene Raumfahrtprogramme entwickeln – die letzten bürokratischen Hürden sind gefallen, so dass man jetzt Triebwerke und Raketenträger entwickeln, testen und herstellen kann. Die ersten Firmen arbeiten bereits seit Jahren vor Ort. Die Weltraumforschung wird immer kommerzieller.
Eines der vielversprechendsten Unternehmen der Branche folgt dem Muster von Elon Musk. In Austin, die Hauptstadt des US-Bundesstaats Texas, befindet sich der Hauptsitz von Firefly Aerospace, das sich aus amerikanischen und ukrainischen Ingenieuren zusammensetzt. Ziel des Unternehmens ist die Entwicklung und Herstellung von kostengünstigen Raketen mit einer Nutzlast von 1 bis 4 Tonnen. Der Preis der Trägerrakete beginnt bei 15 Millionen US-Dollar.
Die Rakete besteht aktiv die letzten Bodentests und der erste kommerzielle Start mit einer Nutzlast ist für dieses Jahr geplant. Nach Angaben der Presse ist Firefly für mehrere Jahre mit Bestellungen gefüllt. Das Entwicklungszentrum und das Montagewerk befinden sich in der ukrainischen Stadt Dnipro (früher Dnepropetrowsk) – die inoffizielle Hauptstadt der Raumfahrtindustrie der Ukraine und zuvor der UdSSR.
In derselben Stadt befindet sich das Entwicklungszentrum der schottischen Firma Skyrora, die von einem ukrainischen Ingenieur Volodymyr Levykin, geleitet wird. Skyrora machte den ersten statistischen Raketentest in Großbritannien seit 50 Jahren – diese Nachricht wurde von den britischen Medien gerne aufgegriffen.
Die Skylark L-Rakete könnte bereits im Frühjahr 2021 startbereit sein. Skyrora plant, zunächst Raketen zu starten, um kleine Satelliten in die suborbitale Umlaufbahn zu bringen. In Zukunft wird Skyrora jedoch auf den Start von vollwertigen Raketen umsteigen.
Ukrainische Firmen finden allmählich ihren Platz auf der Weltraumkarte. Eine starke Ingenieurschule und Erfahrung in der Raketenwissenschaft ziehen immer mehr ausländische Unternehmen in das Land. Bereits in diesem Jahr werden die "ukrainischen" Raketen wieder in den Weltraum zurückkehren.
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