Europäische Lösung in der IT-Branche: wie sinnvoll ist es?

Das Wirtschaftsministerium plant das europäische Cloud-Netzwerk "Gaia X", das mit den uns bekannten US-Anbietern konkurrieren soll. Oder ist es schon zu spät?

Peter Altmaier stellte das Projekt "Gaia X" auf dem Digitalgipfel in Dortmund vor. Damit möchte man eine "leistungs- und wettbewerbsfähige, sichere und vertrauenswürdige Dateninfrastruktur für Europa" schaffen. Über diese Pläne berichtet auch die Presse und erwähnt dabei die größten deutschen IT-Konzerne wie SAP, Bosch oder Siemens, die an diesem Projekt beteiligt werden sollen.

Doch wir müssen zugegeben, dass wir ein Problem haben. Europäische Firmen haben den Aufstieg der Cloud-Geschäfte komplett verschlafen – egal ob es um Cloud-Speicher oder Cloud-Computing geht.

Google Drive, DropBox, OneDrive oder iCloud – wir können aus den besten US-Anbietern auswählen. Einzelne deutschen Hosting-Anbieter habe eigene Cloud-Lösungen zu der Produktpalette hinzugefügt, aber der Markt ist bereits aufgeteilt worden und unsere einheimischen Lösungen spielen keine nennenswerte Rolle.

Wenn wir über das Cloud Computing sprechen, dann ist die Lage hier noch schlechter: Amazon (AWS), Microsoft Azure und Google Cloud bringen immer neue Angebote auf den Markt. Auch der chinesische IT-Riese Alibaba versucht sich einzumischen. Europäische Firmen können problemlos einen Anbieter aussuchen, der aber höchstwahrscheinlich nicht aus Europa stammt.

Europäische Lösung

In den letzten Jahren wird immer wieder über eine europäische Lösung gesprochen, egal um welche Branche es geht. "Europäische Lösung" kann man zum Unwort des Jahrzehnts krönen, denn es gibt keine wirklich gute europäische Lösung für die meisten Probleme.

Man könnte es auch bleiben lassen und nach wie vor die Dienste der US-Firmen in Anspruch nehmen. Es gibt schließlich eine sichtbare wirtschaftliche Spezialisierung. Grob gesagt: Die Amis machen Software und IT-Infrastruktur und wir Deutschen produzieren Autos. Yes, we can Maschinenbau. Aber es war mal so.

Jetzt produzieren auch die Amis Autos, sogar E-Autos und verdrängen die Europäer bzw. Deutschen von vielen Märkten. Zur Zeit können wir es uns noch leisten, die amerikanischen IT-Lösungen zu erwerben und zu konsumieren. Aber je weiter man in die Zukunft blickt, umso düsterer sieht es für uns aus: wir kaufen bei Amazon, schauen Netflix und wählen zwischen Apple und Microsoft mit Hilfe von Google-Suche. Egal wofür wir uns entscheiden, es wird am Ende in China produziert. Aber: wir können nur solange konsumieren, solange wir es uns noch leisten können. Unsere Überschüsse aus Maschinenbau und Chemieindustrie geben wir für US-Entertainment und IT-Produkte aus.

Es wäre viel besser, wenn wir auch europäische IT-Produkte kaufen könnten. Kann man die EU-Firmen dazu sozusagen motivieren, vergleichbare Produkte zu entwickeln? Eigentlich ja. Wir hatten schon einmal die erfolgreiche Geschichte mit Airbus im EU-Portfolio. Die Zusammenarbeit zwischen europäischen Firmen hat dazu geführt, dass man ein Flugzeughersteller etabliert hat, der mit Boeing auf Augenhöhe konkurrieren kann.

Der Vergleich aus der Flugzeugindustrie ist auch deshalb so interessant, weil es dort andere Hersteller gibt, die innerhalb eines Landes zum Marktführer geworden sind. In Brasilien gibt es Embraer, der die ganze Welt mit Regionaljets beliefert. Auf diesem Markt kämpfen sie mit dem kanadischen Hersteller Bombardier. Warum haben Brasilien und Kanada geschafft, was man in Europa gebraucht hätte? 

Bürokratie als Digitalmotor?

Eigentlich wäre es sehr einfach ein europäisches Cloud-Netzwerk aufzubauen und populär zu machen. Ein paar neue Richtlinien zur Datenspeicherung werden EU-Firmen dazu zwingen, die Daten in Europa zu speichern. Am Ende wird es sogar profitabel.

Zum Beispiel hat man für EU-Wissenschaftler bereits ein ähnliches Projekt initiiert – der Preis dafür lag bei 600 Millionen Euro. Wenn man das Projekt auf private Kunden erweitert, würde es sicherlich viel mehr Geld kosten. Lohnt es sich?

Der Umsatz mit Cloud Computing wird weltweit laut Prognose bis 2022 auf satte 331 Milliarden Dollar pro Jahr steigen. Allein für Cloud Computing im B2B-Bereich wird man in Deutschland im Jahr 2020 rund 22,5 Milliarden Euro ausgeben. Davon werden in der ersten Linie die US-Anbieter wie Amazon, Google, Microsoft und IBM profitieren.

Der Erfolg der US-Firmen basiert zum Teil auf der Rückständigkeit der europäischen IT-Infrastruktur. EU-Firmen werden gezwungen, die US-Dienste in Anspruch zu nehmen, weil es keine Lösungen "Made in Europe" gibt. Daher wäre es logisch und notwendig auch mit Hilfe der Bürokratie die Entstehung der EU-Cloud-Diensten zu forcieren. Egal ob in der USA oder China, die Staaten helfen sehr gerne ihren Konzernen bei der Eroberung neuer Märkte und der Sicherung von Umsätzen. Ein Cloud-Computing-System für das Pentagon wird Microsoft für 10 Milliarden Dollar aufbauen.

Made in Germany?

Dennoch ist es traurig, dass Peter Altmaier auf eine EU-Lösung wartet. Warum kann man nicht eine rein deutsche Lösung erarbeiten, die dann die Firmen aus der EU nutzen würden? In der Autoindustrie bleiben wir eher auf nationale Ebene und sprechen von keiner EU-Lösung. 

Ein Cloud-Projekt "Made in Germany" wäre vielleicht sogar schneller durchzusetzen. So könnte Deutschland zum IT-Vorreiter in Europa werden, sonst werden sich die Amis und Chinesen diesen Markt ohne uns teilen.

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