Cloud Computing: Wird Lidl das neue Amazon sein?

Deutsche Unternehmen versuchen, die Krisenzeit zu nutzen, um nach neuen Geschäftsmodellen zu suchen. Werden deutsche Anliegen aus der Coronakrise als Sieger hervorgehen?

Es gab Momente in der Geschichte vieler großer Unternehmen, in denen sie neue Geschäftshorizonte entdeckten und ihr Geschäft neu ausrichten konnten. Samsung startete als Lebensmittelhändler. Nokia agierte ursprünglich als ein finnischer Holzstoffhersteller, und Amazon startete als ein elektronisches Buchgeschäft.

In Krisenzeiten können/müssen/werden viele Unternehmen ihr Kerngeschäftsmodell neu definieren oder neue Märkte erschließen. Die Muttergesellschaft von Lidl kündigte Pläne für den Eintritt in den Cloud-Computing-Markt an. Die Schwarz-Gruppe, die die Einzelhandelsunternehmen Lidl und Kaufland betreibt, möchte sich zum führenden Cloud-Anbieter entwickeln. So wird Lidl zu einem Konkurrent für Amazon AWS, Microsoft Azure oder Google Cloud. Ok, zugegeben, es ist noch zu früh um ernsthaft über Konkurrenz zu sprechen, aber der Cloud-Markt ist so schnell wachsend und lukrativ, dass es sich immer noch lohnt dahin einzusteigen.

Der Umsatz mit Cloud Computing wird laut Prognose weltweit bis 2022 auf satte 331 Milliarden Dollar pro Jahr ansteigen. Allein für Cloud Computing im B2B-Bereich wird man in Deutschland im Jahr 2020 rund 22,5 Milliarden Euro ausgeben. Davon werden in der ersten Linie die US-Anbieter wie Amazon, Google, Microsoft und IBM profitieren.

Lidl als Pionier der Digitalisierung?

Die Presse erinnerte sich daran, dass Lidl vor einigen Jahren sein Projekt für den Übergang zu SAP-System namens "Elwis" begraben hatte. Mehr als 500 Millionen Euro, die sich über 7 Jahre erstreckten, reichten nicht, um auf ein neues Warenwirtschaftssystem umzusteigen. Die hausgemachte Lösung überzeugte besser als die angepasste Version von SAP.

(Bemerkung: auf der Webseite von der Schwarz-Gruppe wird dabei erwähnt, dass Lidl und Kaufland eines der größten SAP-Retailsysteme weltweit verwalten. Heißt es, dass "Elwis" lebt?)

Es spricht vielmehr von der Stärke der IT-Abteilung von Lidl. Und jetzt ist die Zeit, sich daran zu erinnern, dass die Schwarz-Gruppe mit Amazon auf Augenhöhe auftreten kann. Die Schwarz-Gruppe erzielt einen Jahresumsatz von mehr als 104 Milliarden Euro (2018). Zum Vergleich: Amazon hat 280 Milliarden US-Dollar (2019). Wäre das Unternehmen an der Börse, würde es einer der stärksten Vertreter im DAX sein.

STACKIT, die digitale Dachmarke der Schwarz Gruppe für IT-Services, bietet bereits einen Testzugang für die Cloud. Allerdings noch mir dem Vermerk "Beta". Schaffen sie das? Man rechnet mit einer 3.000 starken Truppe der Schwarz IT – das entspricht ungefähr der Größe von börsennotierten IT-Dientstleister wie Datagroup oder CANCOM (MDAX-Teilnehmer). Man betreibt 20.000 Server mit über 22,5 PB Storage.

Reicht das aus, um einen Kampf gegen Amazon zu erzwingen? Zumindest in Europa könnte das klappen. Im vergangenen Jahr präsentierte Altmaier die Idee einer europäischen "Wolke" – Gaia X. Aus reiner Idee kann man mit ein paar EU-Richtlinien gleich eine neue EU-Branche entstehen. Man könnte sich durchaus vorstellen, dass die Behörden oder Krankenhäuser gesetzlich verpflichtet werden, eine europäische Cloud-Lösung zu verwenden.

Für den Erfolg braucht man auf diesem wachsenden Markt eine gute Liquidität oder leichten Zugang zu Investitionen – das sollte bei dem Einzelhandelskonzern kein Problem zu sein. Deutschland hat bereits viele Cloud-bezogene Anbieter. Die Cloud-Lösung bieten viele Hoster oder IT-Anbieter (Hetzner, Strato, M-Net usw.) – aber dies sind eher lokale Akteure, die nicht mit den finanziellen Möglichkeiten von Lidl konkurrieren können. Für die erfolgreiche Umsetzung hätte man sich die Nischen-IT-Dienstleister erwerben können – so wie die US-Firmen während der Krise Firmen günstig zukaufen.

"Made in Germany" könnte auch in der IT-Branche erfolgreich sein. Das haben Firmen wie SAP oder TeamViewer bereits gezeigt. Lidl könnte während der Krise neue Märkte für sich eröffnen.

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